Der Keramiker Otto Meier
 
Eine der profiliertesten Persönlichkeiten, deren Entwicklung zum künstlerischen Handwerk aufs Engste mit der Böttcherstraße in Verbindung steht, ist der 1903 in Dortmund geborene Otto Meier, der nach Ende des Ersten Weltkrieges durch Zufall in Worpswede zu seiner Berufung fand.

Die europäische Kunstgewerbebewegung brachte zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in Norddeutschland eine Reihe hochwertiger Verbindungen von Künstlern und Handwerkern hervor, die die Vorstellungen einer umfassenden Lebensreform beflügelten und sich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu einer der letzten großen Utopien im deutschen Kaiserreich entwickelten. Die Suche nach einer Reform des bürgerlichen Lebens durch neuartige Assoziationen von Kunst und Handwerk war auch eine der zentralen Ideen, die in der Böttcherstraße Gestalt annahmen, ja, sie ist bis heute auch eine Straße der angewandten Kunst geblieben.

Eine der profiliertesten Persönlichkeiten, deren Entwicklung zum künstlerischen Handwerk aufs Engste mit der Böttcherstraße in Verbindung steht, ist der 1903 in Dortmund geborene Otto Meier, der nach Ende des Ersten Weltkrieges durch Zufall in Worpswede zu seiner Berufung fand. An der Kunstgewerbeschule seiner Heimatstadt hatte er Architektur und Bildhauerei zu studieren begonnen und sich nebenbei im Drechseln ausbilden lassen. Eigentlich war er 1926 auf dem Weg ans Bauhaus in Dessau, als er in Worpswede eine Zwischenstation machte, die sich dann als Endstation erwies. Bernhard Hoetger hatte 1924 unterhalb des Weyerberges seine „Kunsthütten“ ins Leben gerufen, kleine unabhängige Manufakturen für angewandte Kunst, wo Kunsthandwerker eigenständig arbeiten konnten. Bedingung war neben handwerklicher Solidität vor allem ein gewisses Maß an Originalität. „Ihn interessierte“, so Otto Meier später, „nur Prinzipielles, wie Abfolge und Rhythmus innerhalb einer Komposition oder das Fließen einer Bewegung.“

Obwohl ganz ohne Erfahrung auf diesem Gebiet trat Meier in die keramische Werkstatt der Kunsthütten ein und praktizierte – unter Anleitung des Keramikers Willi Ohler – einen ungelenken, archaisch anmutenden Aufbau unglasierter, bestenfalls mit Engobe bemalter Tongefäße, die keinem wirklichen Zweck dienten. Bald folgten feinere Formen und eine zunehmende Fertigkeit in der Erstellung von Kristallglasuren. 

Bernhard Hoetger erkannte die außergewöhnlichen Fähigkeiten und das subtile Formempfinden des Autodidakten und wählte ihn als einen der sieben Handwerker aus, mit denen er 1927, nach Auflösung seiner Kunsthütten am Weyerberg, in die Bremer Böttcherstraße zog. Die im Paula Modersohn-Becker-Haus eingerichtete „Werkstatt der Sieben Faulen“ sollte nach dem Willen von Ludwig Roselius nicht nur der Neugestaltung der Böttcherstraße verpflichtet sein, sondern darüber hinaus eine Renaissance spezifisch nordischen Kunsthandwerks einleiten, womit er in Hoetger den idealen künstlerischen Partner fand. Der war wie stets auf der Suche nach einem ebenfalls nordischen Gesamtkunstwerk, worin vom architektonischen Grundkörper bis in die kleinsten gestalterischen Details alles wie aus einem großen gemeinsamen Formwillen herausgebildet schien. In der Böttcherstraße nahm Otto Meiers keramische Fertigkeit einen ungeheuren Aufschwung, er wurde zur Verfeinerung seiner Glasurtechniken an der Keramischen Fachschule in Bunzlau weitergebildet und trat mit den 30er Jahren in seine klassische Periode ein, die den Einfluss Hoetgers abstreifte und auf den bedeutenden Jahresausstellungen der angewandten Kunst für Aufsehen sorgten.

Doch mit dem Nationalsozialismus endete auch die große Zeit der „Werkstatt der Sieben Faulen“ in der Böttcherstraße mit ihrer so gelungenen und vielgestaltigen Verschmelzung von großem künstlerischem Konzept und angewandten Künsten. Bei den Bombardierungen Bremens wurden die Werkstätten zerstört. Otto Meier nahm als Soldat am Weltkrieg teil, wurde verwundet und kehrte nach langen Krankenhausaufenthalten nach Worpswede zurück, wo er ein bescheidenes Haus auf dem Weyerberg bezog. Notdürftig richtete er darin eine halbwegs funktionierende Werkstatt ein, ließ den alten Kohle-Muffelofen aus den Trümmern der Böttcherstraße nach Worpswede schaffen und konstruierte aus Maschinenteilen eine Drehscheibe, die für den Rest seines Lebens hielt. 

In den folgenden Jahrzehnten wurde Otto Meier einer der führenden Keramiker Deutschlands, mit einem immer wieder auf geometrische Grundformen reduzierten Formenkanon, dessen Einfachheit mit Eleganz kongruiert, und einer kunstvollen Oberflächenbehandlung, die das verwendete Material veredelt und ästhetisiert. Die Perfektion seiner hohen Handwerkskunst steigerte sich noch einmal, als er statt des bisher verwendeten Steinzeugs 1978 das Porzellan als Basismaterial für seine handgedrehten Unikate zu bevorzugen begann und diese kostbare Symbiose von anmutiger Gefäßform und edler Glasur zu einem seiner Alleinstellungsmerkmale erhob. Das alte Handwerksethos, jeden keramischen Körper in Handarbeit aufzubauen und individuell zu gestalten, nicht einmal Kleinserien oder irgendeine zusätzliche technische Hilfe zuzulassen, hat ihn bis ins hohe Alter nicht verlassen. 

In Anerkennung seiner herausragenden Leistungen erhielt er 1964 den Niedersächsischen Staatspreis für gestaltendes Handwerk, 1986 den Auguste Papendieck-Preis der Hansestadt Bremen und 1988 den „Ehrenpreis Deutsche Keramik“ als ranghöchste Auszeichnung seiner Sparte. In gleichem Jahr wurde er (bis 1995) Mitglied der Vereinigung „Deutsche Keramiker – Gruppe 83“, dem Zusammenschluss der deutschen Vertreter der Genfer „Academie Internationale de la Céramique“, damals vorzugsweise aus Gefäßkeramikern zusammengesetzt. Das Bremer Focke-Museum ehrte ihn 1982 und 1986 mit Einzelausstellungen, das Keramikmuseum Westerwald 1988 mit einer Ausstellung anlässlich der Verleihung des Ehrenpreises Deutsche Keramik. Bis ins hohe Alter blieb Otto Meier kreativ und anspruchsvoll gegenüber dem eigenen Handwerk. Als letzter Vertreter der einst von Bernhard Hoetger an diesem Ort verankerten Kunstgewerbebewegung starb er am 1. Juni 1996 in Worpswede und liegt auf dem dortigen Friedhof begraben.

Literatur

  • Haase, Heinz Wilhelm, Otto Meier. In: Keramos, Heft 83, 1979, S. 77 ff.
  • Kerls, Ingo, Kunsthandwerk Bernhard Hoetgers. In: Von der Volkskunst zur Moderne, Kunst und Handwerk im Elbe-Weser-Raum 1900-1930. Hrsg. Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Stade 1992, S. 206 ff.
  • Meier, Otto, Ausstellungskataloge des Focke Museums Bremen 1982 und 1986
  • Meier, Otto, Ehrenpreis Deutsche Keramik 1988, Montabaur (Höhr-Grenzhausen) 1988
  • Meier, Otto. 90 Jahre – 90 Keramiken. Katalog Städtische Galerie im Schlosspark, Herne 1994
  • Stadler, Arnold, Opper, Dieter und Meier, Otto, Worpswede heute – Otto Meier, Gefäße und Gefäßplastiken, Keramik 1990/1991, Katalog Worpswede 1991


Text

Bernd Küster