Hans Müller-Brauel
Hans Müller-Brauel und das Väterkundemuseum
 
Hans Müller-Brauel (1867-1940) war von 1927 bis zu seinem Tod der von Ludwig Roselius ernannte Leiter des Väterkundemuseums.

Ihn zeichnete jenes Maß an Selbstüberschätzung aus, das vor allem Amateuren eigen ist, die sich einem wissenschaftlichen Bereich verbunden fühlen und darin durch Ehrgeiz das Manko des Laienhaften zu überwinden suchen. In seinen autobiografischen Aufzeichnungen verweist Hans Müller-Brauel immer wieder auf seinen Status als Amateur-Archäologe, der seine profunden vorgeschichtlichen Kenntnisse und Erfahrungen konterkariere und ihm jede Möglichkeit vorenthalten habe, in diesem Bereich zu reüssieren und eine feste Anstellung im Museumswesen zu bekommen, für die er sich höchst geeignet empfand. Dieses Trauma überschattete sein Leben, beflügelte andererseits eine ungeheure Umtriebigkeit als Archäologe, Volkskundler, Schriftsteller, Dichter, Sammler, Möbelgestalter und Fotograf. 

Abb. 1
Hans Müller-Brauel, 1938
Quelle
Karl von Weihe (Foto)

Nach Ende seiner Ausbildung zum Tischler 1885 suchte er über Hilfsarbeiten für archäologische Sammlungen in Hamburg und Hannover eine entsprechende Festanstellung, die ihm immer wieder verweigert wurde. Enttäuscht kehrte er in seine Heimat, nach Zeven, zurück, baute ein Haus „Sachsenheim“, das ab 1907 kurzzeitig als Kunstgewerbehaus fungierte, wurde Dichter und Landwirt, ohne den Traum von einer noch so geringen musealen Karriere aufzugeben. Mit umfangreichen prähistorischen und volkskundlichen Sammlungen, deren Provenienz nicht immer einwandfrei ist, suchte er seiner parawissenschaftlichen Berufung Nachdruck zu geben. Schließlich kam für den 60jährigen der Durchbruch: „Seit 1927 hat Generalkonsul Ludwig Roselius-Bremen mich zum Leiter des von ihm begründeten Väterkundemuseums in Bremen berufen. Damit habe ich in meinem letzten Lebensabschnitt noch die wundervolle Aufgabe erhalten, den Herkunftsweg und die Entwicklung des nordischen Menschen in einer großangelegten Museumssammlung darzustellen.“Hans Müller-Brauel, Selbstbiografische Notiz, 1932. In: Stader Geschichts- und Heimatverein, Mitteilungen 41, Heft 3, 1 Juli 1966, S. 69

Für sehr viel Geld ließ ihn Roselius aus den diversesten Quellen in ganz Europa prähistorische Funde als Original oder als Replik zusammenkaufen, als Zeugnisse vermeintlich frühgermanischer Einflüsse, insgesamt mehr als 35.000 Objekte, die nie wissenschaftlich geprüft worden sind. Zwischen 1929 und 1935 beliefen sich die Ankaufsmittel dafür auf mehr als 335.000 Reichsmark. Dass diese Investitionen in ein „Väterkundemuseum“ mit den Rasseideologien des Nationalsozialismus in Einklang standen und diesen gar eine museale Plattform bieten wollten, das dürfte ganz in der Absicht Müller-Brauels gelegen haben, der sich selbst seit seiner Tätigkeit in Hannover als glühenden Antisemiten bezeichnete: „Ich predigte den Judenhass, wo ich nur konnte“, schrieb er damals in sein Tagebuch. 

Im Auftrag und mit den Mitteln von Ludwig Roselius erwarb er für das Museum 1931 den schriftlichen Nachlass des Rassisten und Archäologen Gustaf Kossinna, neben Alfred Rosenberg und Heinrich Himmler 1928 Mitbegründer der Nationalsozialistischen Gesellschaft für Deutsche Kultur“, später „Kampfbund für Deutsche Kultur“. Himmler und Rosenberg saßen neben Bauernführer Walter Darré auch im Rat der Nordischen Gesellschaft in Lübeck, deren Mitglied Hans Müller-Brauel war und die ebenfalls die Kulturüberlegenheit der germanischen Rasse propagierte. 

Die 1933 und 1934 im Haus Atlantis veranstalteten „Nordischen Things“ hatte Müller-Brauel zu organisieren und trat nun selbstbewusst vor den eingeladenen Fachwissenschaftlern auch als Referent auf, der die frühgermanische Kultur als „die höchste aller Kulturen“ pries, was die anwesenden Gauleiter und SS-Abgesandten mit Applaus quittierten, während den Fachleuten die pseudowissenschaftlichen Anstrengungen dieses in Germanenwahn gefangenen pseudowissenschaftlichen Museumsleiters bald suspekt wurden. Immerhin waren diese Things der Beginn einer Sammlungsbewegung zur rassistischen Geschichtsforschung.
In einem Radiointerview zur Eröffnung des Väterkundemuseums 1931 erläuterte ein Mitarbeiter die abstruse Vorstellung von dem versunkenen Land Atlantis (das dem Haus seinen Namen gab) als prähistorische Brücke zwischen Europa und Amerika, was u. a. das Niederdeutsche mit den indianischen Kulturen Nordamerikas verbinde. 

Bis zu seinem Tode 1940 behielt Müller-Brauel offiziell die Leitung des Väterkundemuseums. Sein zeitweiliger Zimmernachbar Heinrich Schmidt-Barrien hätte etwas mehr Licht in das Dunkel dieser vom Ehrgeiz und Rassenwahn zerfressenen Persönlichkeit bringen können, beließ es aber bei ein paar nichtssagenden Anekdoten. Darunter ist erwähnenswert, dass Müller-Brauel nicht nur gegen die Einflüsse Bernhard Hoetgers auf den Mäzen opponierte, sondern auch versucht habe, ihm die Wertschätzung der Malerin Paula Modersohn-Becker auszuredenHeinrich Schmidt-Barrien, Worpsweder Begegnungen. Aus meinem Skizzenbuch, Osterholz-Scharmbeck 1989. S. 52 – ohne Erfolg.

Literatur

  • Hans Müller-Brauel, Erinnerungs- und Tagebuch, 1887-1893, Manuskripte im Nachlass Müller-Brauel, Museum Kloster Zeven 
  • Luise del Testa, Hans Müller-Brauel, Fotografien, Zeven 1990
  • Dies., Müller-Brauel, In: Lebensläufe zwischen Elbe und Weser, ein biographisches Lexikon. Hrsg. Landschaftsverband Stade, Band 3, Stade 2018, S. 218 ff. 
  • Dirk Mahsarski/Sabrina Schütze, Museum „Väterkunde und Focke-Museum – zwei Bremer Beispiele. In: Graben für Germanien. Archäologie unterm Hakenkreuz, Hrsg. Focke Museum, Bremen, Bremen 2013, S. 94 ff.

Text

Bernd Küster